Ich hatte vor ein paar Tagen einen ganz tollen WENDO Kurs im Rahmen der Freiwilligendienstseminare eines sozialen Trägers. Die FSJler*innen haben sich in ihrem Vertiefungsseminar WENDO als Workshop gewünscht. Parallel zu meinem WENDO Kurs fand auch ein Selbstverteidigungskurs statt. An diesem Kurs konnten alle* teilnehmen, die keine Lust auf WENDO hatten.
Unser WENDO Kurs war klasse, die jungen Frauen konnten sich gut auf die angebotenen Inhalte einlassen und zeigen wie stark und mutig sie sind.
Dadurch, das parallel ein Selbstverteidigungskurs für alle* stattfand, stellten wir uns in meinem WENDO Kurs natürlich die Frage: Was ist jetzt eigentlich das Besondere an WENDO? Was ist der Unterschied zu üblichen Selbstverteidigungskursen?
Vermutlich könnte ich jetzt eine ganze Reihe an Argumenten und Besonderheiten aufzählen, um den Unterschied zwischen WENDO Kursen und Selbstverteidigungskursen zu verdeutlichen. Dies möchte ich an dieser Stelle jedoch nicht tun. Sondern die 3 für mich wichtigsten Unterschiede einmal näher darstellen.
1. Feministische und gesellschaftskritische Perspektive
Die Ursprünge von WENDO sind in den Feministischen Bewegungen zu finden. WENDO war und ist ganz klar feministisch geprägt. Feministische Perspektive meint hier, dass die Erkenntnisse der Frauenbewegung starken Einfluss auf das Konzept und die Inhalte eines WENDO Kurses haben. Das bedeutet zum Beispiel das das Thema Gewalt an Frauen nicht als individuelles Problem verstanden und aufgefasst wird, sonders als strukturelles und gesellschaftliches Problem zu betrachten ist.
2. WENDO ist von Frauen* für Frauen* und Mädchen*
WENDO wird nur von Frauen* an Frauen* und Mädchen* weitergegeben. Das Sternchen soll hier die Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Frauen* und Mädchen* darstellen. WENDO arbeitet somit parteilich, also orientiert sich an den Bedürfnissen und Wünschen der Teilnehmerinnen* und nicht an einem männlich*, patriarchal geprägten Wertekanon.
Trainerinnen* können auf ähnliche Sozialisations- und Diskriminierungserfahrungen zurückgreifen. Mit diesem Hintergrundwissen werden Themen im geschützten Rahmen geschlechtsspezifisch* betrachtet und eingeordnet.
In der Gesellschaft gibt es gerade für Mädchen* wenig diverse weibliche* Rollenvorbilder (abseits von Mode und Beauty). Vielfältige und unterschiedliche Rolemodels sind wichtig für die Ausprägung eigener Identität. Für Mädchen und auch Frauen kann es sehr wertvoll sein unterschiedlich starke und mutige weibliche Rollenvorbilder zu erleben. Ein WENDO Kurs bietet hier die Chance dazu.
3. WENDO ist kein Kampfsport
Auch wenn viele WENDO Trainerinnen* sich im Kampfsport zu Hause fühlen und viel Erfahrung in diesem Bereich besitzen ist WENDO kein Kampfsport. Es ist viel mehr ein Selbstbehauptungskonzept mit Elementen aus verschiedenen Kampfkünsten. Im WENDO lernen Frauen* und Mädchen* ihre eignen Grenzen wahrzunehmen und zum Ausdruck zu bringen. Sie lernen gut für sich zu sorgen und auf eigene Bedürfnisse zu achten. Denn nur wenn ich mir meiner Selbst bewußt bin und mich selbst als wichtig und wertvoll betrachte kann ich meine Grenzen verteidigen.
WENDO ist dabei kein starres Konzept, sondern entwickelt sich stetig weiter. Diskussionen und Diskurs sind hier wichtige Elemente.
Die drei oben genannten Punkte verdeutlichen hoffentlich ganz gut den Unterschied zu normalen Selbstverteidigungskursen, die oftmals von Männern* durchgeführt werden.
WENDO Trainer*innen besitzen ein sehr breit gefächertes Wissen zu Täter*innenstrategien, Gewalt, sexualisierter Gewalt, struktureller Gewalt und ein Wissen zum Thema Traumata. Selbstbehauptung und Selbstverteidigung impliziert immer auch das Thema Gewalt in all seinen Facetten. Diese Themen müssen aufgegriffen und in einen gesellschaftlichen Rahmen eingeordnet werden.
* Mit Sicherheit gibt es sehr gute Selbstverteidigungskurse, die auch von Männern* durchgeführt werden, nichtsdestotrotz fehlt den meisten Kursen die strukturelle und feministische Perspektive auf das komplexe Themenfeld Gewalt und die feministische Perspektive auf Gesellschaft, denn auch heute noch ist jede vierte Frau von Gewalt betroffen.
Gewalt ist keine individuelles, sondern ein gesellschaftliches Phänomen.
Genau diese drei Punkte machen einen großen Unterschied.
1. Feministische und gesellschaftskritische Perspektive
2. Frauen* sind Trainerinnen
3. WENDO ist kein Kampfsport, sondern viel mehr.
Für mich sind es gerade diese 3 Unterschiede, die WENDO so besonders machen. Ich hoffe ich konnte dir WENDO und den Unterschied zu normalen Selbstverteidigungs- oder Selbstbehauptungskursen etwas näher bringen. Sehr gespannt bin ich auf dein Feedback. Schreib mir doch gern deine Gedanken und Impulse in die Kommentare.
Der nächste offene WENDO Kurs für Frauen findet am 09.März 2019 in Magdeburg Buck statt. Anmelden kannst du dich direkt über die Seite von Mein Kurs Magdeburg.
*Mehr Info´zum Weiterlesen/ Hören:
TAZ Beitrag zu feministischer Selbstverteidigung von Mithu Sanyal.
Deutschlandfunk/ Statistik zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland
Podcast/ Beitrag zum Thema feministische Mädchenarbeit
Sei gut zu dir! Aline