Berlin ist immer wieder mega! Besonders aus feministischer Perspektive. Ich würde sagen da geht was!
Am 15. September 2018 fand die Feministische Sommeruni in Berlin statt. Sie war auch gleichzeitig der Auftakt für das Digitale Deutsche Frauenarchiv.
Das Digitale Deutsche Frauenarchiv, kurz DDA, ging an den Start und bündelt nun eine ganze Fülle an Frauenwissen, fernab des patriarchalen Mainstreams. Von Postern, Bildern, Briefen bis hin zu Flyern und Tonaufnahmen wurden über 50 000 Dokumente digitalisiert und für eine breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Ziel des DDA: Frauengeschichte sichtbar zu machen und feministische Themen mit in die Diskussion zu bringen!
Einen ganzen Tag lang wurde über feministische und frauenpolitische Themen diskutiert und philosophiert. Insgesamt fanden 60 Workshops und Vorträge statt. Ein mega Event und ich bin super froh dabei gewesen zu sein.
Mein Highlight der Feministischen Sommeruni
Mein ganz persönliches Highlight war das Gespräch mit Sookee und Luise Pusch zum Thema Feminismus und Sprache. Das Ganze Gespräch findest du hier auch noch einmal als Aufzeichnung. Es ist echt mega und gar nicht langweilig, falls du das jetzt denkst.
Ich musste echt an manchen Stellen so herzlich lachen. Hier versuche ich mal einige Punkte aus dem Gespräch wiederzugeben und ich werde versuchen meinen eigenen Standpunkt aufzuschreiben. Betrachte meine Ausführungen deswegen nicht als vollendet & beendet. Vielmehr soll mein Beitrag als Anregung zum Weiterdenken begriffen werden.
Vorab erst einmal ein kurzer Exkurs zu den beiden Frauen, die vielleicht unterschiedlicher nicht sein könnten. Beide prägen die feministische Sprache in bedeutendem Ausmaß.
Luise F. Pusch ist eine der ersten, die eine feministische bzw. gendersensible Sprache forderte. Sie ist deutsche feministische Sprachwissenschaftlerin und gilt u.a. als eine der Begründerinnen der feministischen Linguistik in Deutschland.(wikipedia)
Sie analysierte in den 1970´iger Jahren die deutsche männer-dominierte Sprache und verwies auf das Nicht-Benennen von Frauen.
Sie ist u.a. Mit-Initiatorin der Seite Fem Bio. Hier findest du jede Menge Frauenwissen/ Frauen-Biografien.
Sookee – Quing of Berlin. Sie ist Rapperin und Feministin.
Sie hat bereits 5 Studioalben herausgebracht und engagiert sich u.a. gegen Sexismus und Rassismus in der Musik.
Hip Hop und Feminismus passen bei ihr ganz wunderbar zusammen. Wie das geht zeigt sie immer wieder bei ihren Auftritten und in ihren Songs.
Gendersensible Sprache
Feminismus hat ganz viel auch mit Sprache zu tun. Erst recht wenn auf dem Podium 2 Frauen sitzen, die ihre Heimat in der Linguistik, also der Sprachwissenschaft, haben. Die Moderatorin Patricia Hecht – Redakteurin bei der TAZ bezog sich natürlich auch auf diesen Aspekt.
Im ersten Teil der Veranstaltung ging es also um die Verwendung von gendersensibler/ gendergerechter Sprache.
Für mich bedeutet gendersensible Sprache, eine möglichst diskriminierungsfreie Sprache zu verwenden, die möglichst wenig bzw. keine Ausschlüsse produziert.
Was ist damit gemeint? Um es ganz praktisch zu halten, habe ich hier ein kleines Rätsel für dich.
Ein Vater fährt zusammen mit seinem Sohn seinen neuen Sportwagen spazieren. Doch er fährt zu schnell und in einer Kurve verliert der Vater die Kontrolle über das Auto. Sie verunglücken. Der Vater ist auf der Stelle tot, der Sohn wird lebensgefährlich verletzt. Er wird zum nächsten Krankenhaus gebracht, wo die diensthabenden Ärzte bereits auf ihn warten. Ein Chirurg eilt zu der Tragbahre, auf der der Junge liegt, zieht die Decke zurück, schreit auf und und ruft aus: „Mein Gott, ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn!“ Wer ist der Chirurg, wenn der Vater des Jungen bei dem Unfall umgekommen ist? *
Mhhh? Hast du das Rätsel gelöst? Überlegst du noch?
Lösung (mgl.): Der Chirurg ist die Mutter des Sohnes.
Bist du auf die Lösung gekommen? Nein! Dann liegt das vermutlich daran, dass von dem Chirurg in der männlichen Form und nicht von der Chirurgin gesprochen wurde.
Hier liegt also der Hund im Pfeffer vergraben. Wenn ich von einer Ärztin in der männlichen Form spreche, könnte es sein, dass du erst gar nicht auf die Idee kommst, das eine Frau gemeint ist. So funktioniert nun mal unser Gehirn.
Wir denken in Worten und Bildern. Wenn wir das Beispiel weiter denken, so bleibt in deiner Vorstellung (und auch in meiner) das Feld der Medizin männlich dominiert. Das ist bitter und entspricht auch nicht der Realität.
Doch was bedeutet dieser Ausschluss von Frauen, also der Hälfte der Menschheit, in z.B. diesem Bereich der Gesellschaft/ der Wirklichkeit?
Was bedeutet das für Kinder, wenn sie immer nur männliche Vorbilder in akademischen Berufen sprachlich erleben?
Was macht das mit ihrer Vorstellungskraft?
Was meinst du, wird sich ein Mädchen diesen Beruf der Ärztin zu trauen?
Wird es in ihrer Vorstellungskraft liegen Arztin, LKW Fahrerin oder Mechatronikerin… zu werden? Wenn sie keine Begriffe, Rolemodels und Vorbilder dafür hat bzw. kennt?
Ein Teufelskreis! (Das Rätsel findest du u.a. auch hier.)
„Kinder, denen die geschlechtergerechten Berufsbezeichnungen präsentiert worden waren, trauten sich viel eher zu, einen "typisch männlichen" Beruf zu ergreifen als Kinder, denen nur die männliche Pluralform genannt worden war.“ *Jugendhilfeportal
Sprache formt nun einmal unsere Gedanken und unsere Vorstellungskraft. Ziel einer feministischen und gendersensiblen Sprache ist es keine Ausschlüsse zu produzieren und das weibliche Geschlecht bzw. alle Geschlechter mit zu benennen.
Knacklaute und Sternchen
Wie geht das nun Konkret? Wie kann ich Sprache nutzen um weibliche Perspektiven einzubeziehen?
In der Veranstaltung ging es ganz praktisch um die Verwendung vom Binnen I , Sternchen * oder Unterstrich _. Alle diese sprachlichen Mittel sollen helfen die Realität besser abzubilden und das Weibliche bzw. die Vielfalt der Geschlechter nicht zu verbergen.
Der Hintergrund hierfür ist, dass in der deutschen Sprache hauptsächlich das generische Maskulin verwendet wird, also die männliche Form. Des weiteren wird in der Sprache häufig von einer Polarität von genau zwei Geschlechtern ausgegangen. Das die Realität nicht so einfach zweigeteilt ist, zeigen viele Beispiele und neuere Theorien und Diskurse.
In der Verwendung des generischen Maskulines wird die Hälfte der Menschen einfach nicht benannt und nicht mit-gemeint. Wenn wir davon ausgehen das Sprache Realität schafft und Macht besitzt, ist es wichtig das auch Frauen mit-genannt werden und nicht nur mit-gemeint.
Als ersten Versuch die weibliche Form auch in der Sprache darzustellen ist u.a. das sogen. Binnen I , also z.B. HänderInnen und BusfahrerInnen. Durch diese Schreibweise wird versucht Frauen und Männer mit zu benennen.
Später wurde u.a. von queeren und dekonstruktivistischen Ansätzen kritisiert, dass durch das Binnen I die Geschlechter und Geschlechterverhältnisse, sowie die Binarität der Geschlechter zementiert werden. Also das Geschlecht als etwas festes und statisches betrachtet wird. Durch die Verwendung des Binnen I werden alle Geschlechter, die sich als nicht männlich oder nicht weiblich definieren, negiert. Um dem etwas entgegen zu setzen wurde der Gender_Gap, also der Unterstrich in die Diskussion eingeführt. Durch den Gender_Gap wird die Kategorie Geschlecht als Kontinuum oder als Spektrum betrachtet, indem sich eine Vielzahl von Geschlechtern wiederfinden können.
Aber auch der Gender_Gap erklärt Geschlecht nicht in ausreichendem Maße. In neueren Diskussionen wird Geschlecht als eine soziale Konstruktion betrachtet.(Stichwort Judith Butler) Das Sternchen * soll dieses ausdrücken. Konstruktion meint hier den Prozess und die soziale Bedeutung von Geschlecht.
Luise Pusch hat sich für die Verwendung des Binnen I ausgesprochen, weil es eine erwürdige feministische Erfindung ist und das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen deutlich macht. In dem Sinne das Frauen seit Jahrhunderten durch Männer bzw. das patriarchale System unterdrückt wurden.
Sookee ist Vertreterin vom Sternchen. Sie verbindet damit eher eine drei-dimensionale Vorstellung. Alle Positionen sind gleichwertig und alle Geschlechter können mit bedacht werden. Das Sternchen wird auch in anderen Zusammenhängen verwendet, um das Konzept von Konstruktion herauszustellen. Z.B. wenn ich von Kultur*, Schwarzen* , Weißen* , alten* oder behinderten* Menschen spreche.
Vielleicht kann man oder frau sich über die korrekte Schreibweise streiten. Ich finde es total wichtig mit zu bedenken, das Sprache nicht starr ist und sich stetig im Wandel befindet.
Ich persönlich finde es spannend immer wieder Dinge neu zu denken und altes über Board zu werfen. Ziel sollte es doch sein möglichst wenig Ausschlüsse zu produzieren.
Und hey, ja das ist manchmal anstrengend und eben nicht bequem.Und noch eins. Es ist OK Fehler zu machen. Sprache hat etwas mit sprechen zu tun. Wir können darüber reden.
Quellenangaben, Info´s und weiterführende Links:
Wie spreche ich denn nun das Sternchen aus? – Hier geht es darum wie der Gender_Gap oder das Sternchen hörbar gemacht werden können. – Video
*Studien aus der Kindheitsforschung – Jugendhilfeportal
Die Wesensbande erklärt Gender und Begriffe. – Wesen erklären.
Zum Angucken – Unser Hirn Spricht Männersprache
Historischer Abriss – Sprache der Geschlechter
Video von PINK STINKS im Rahmen des Welt – Mädchentags.
Luise Pusch im Interview – Das deutsche als Männersprache
Viel Spass beim Anschauen, Nachdenken und Ausprobieren!
Wie stehst du zu gendersensibler Sprache? Findest du es wichtig auf die eigene Sprache zu achten?